©stephanie rothenburg-unz 2003

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"Die Affäre Semmmeling"

Was wollte der Regisseur uns eigentlich sagen?

Aus. Vorbei. 9 Stunden Korruption, Intrigen, Inkompetenz, Sexbesessenheit und döselige Naivität müssen für die nächsten dreißig Jahre reichen!

Dreißig Jahre beträgt der Abstand zum ersten "Semmeling" - nach Hörensagen war das ein großer Erfolg.

Die Angst des Regisseurs vor der Quote hat weder bei Wedel noch beim Sender ZDF zur Straffung und Stringenz im neuen Sechsteiler geführt. Es ist daher kein Wunder, dass in den meisten Rezensionen eher Absichten, Recherche-Hintergründe und die eigene, umstrittene personality ausgebreitet wird als der Inhalt. Auch wenn nach dem Absturz der Quote Wedel am Boden zerstört davon Abstand nimmt, seine Serie als Kunstwerk zu bezeichnen: In der "Kunst"- zu der die Sparte Film auch gehört – geht es um das Ergebnis und nicht um die guten Absichten.
Wer aber ist schuld an der unerwarteten Erfolglosigkeit des Sechsteilers, der mit riesigen Plakatwänden und vielen Vorabberichten ein ausgeklügeltes Marketingkonzept offenbarte? Wedel und einige Kommentatoren waren sich schnell einig: das Publikum sei überstrapaziert und mit den politischen Inhalten überfordert. Selbst die sonst so geschätzte Ponkie beteiligte sich an der Publikumsschelte und stellte Unmündigkeit fest.

Was hätte aber der durchaus willige Zuschauer mit Durchhaltevermögen zu sehen bekommen? Eine nicht nacherzählbare Story aus vielen verschiedenen, mehr oder weniger miteinander verknüpften, "Dönekens" über Hamburger Institutionen und ihre "Deerns on Jongs", die vermutlich genauso für den "Kölschen Klüngel", "Berliner Filz" und "Münchner Mauscheleien" stehen sollten.

Die ZEIT fragte "Haben wir die Affäre Semmeling verdient" und kam zu dem Ergebnis: "Ja, wir haben sie uns redlich verdient. Es herrschten schon seit längerem italienische Verhältnisse (Berlusconi?Mafia?Sizilien?) in diesem unserem Land. Man könne auch ganz gut damit leben, wenn nur das Wetter italienischer wäre".

In der Serie selbst herrscht selten typisch Hamburger Schmuddelwetter und von einer Beschwerde des Wetteramtes ist nichts bekannt. Dafür hat die Gewerkschaft der Steuerbeamten heftig protestiert. Tatsächlich wird sich wohl kaum ein Bundesbürger beim Finanzamt so dumm-dusselig anstellen und kein Beamter so fanatisch-bösartig Kleinbürger verfolgen. Hat Wedel ein Trauma? Fast scheint es so und man kann nur hoffen, dass er es nun genügend bearbeitet hat. Der Nutzwert für den Betrachter war eher bescheiden, wie ein exzellenter Kenner der Materie in der SZ feststellte.

Thomas Mirow, von 1997-2001 Hamburger Wirtschaftssenator und vorher langjähriger Leiter der Staatskanzlei stellte als Ergebnis fest: Politik ist dumm und schlecht und dies wird in Klischees, Schablonen serviert. Was wir schon immer wussten, erfahren wir hier noch einmal: Politik verdirbt den Charakter. Sie hat nichts mit Gestaltungswillen, sondern mit Karriere zu tun. Am schwersten wiege jedoch, so Mirow, dass hier die üblichen antipolitischen Ressentiments bedient werden. Da brauche man dann auch bei der Wahl der Schills, Haiders und Berlusconis kein schlechtes Gewissen mehr zu haben.

War es das, was uns der Regisseur sagen wollte?

© Stephanie Rothenburg-Unz 15.01.2002


 
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