©stephanie rothenburg-unz 2012

Stellungnahme des Referats
für Ausländerinnen und Ausländer der Stadt Kiel


6. Sozialausschuß-Sitzung am 24. Oktober 1996 des Landtages von Schleswig-Holstein (Konferenzsaal/Protokollabschrift)

Frau Stephanie Rothenburg-Unz vermißt in dem von der Landesregierung vorgelegten Bericht zur Landesjugendhilfeplanung (differenzierte) Aussagen zum Thema "ausländische Jugendliche" und wendet sich insbesondere dagegen, ausländische Jugendliche generell unter dem Stichwort "Benachteiligte" zu subsumieren und dabei deren jeweilige Lebenszusammenhänge (Familie,soziale Lage, Stadtteil, Schule u.a.) außer acht zu lassen.

Allein auf das Kriterium nichtdeutscher Herkunft abzustellen und allein daraus eine Benachteiligung abzuleiten, zeuge von einem problematischen Verständnis von Migranten; vielmehr müßten deren soziale Kompetenzen und Erfahrungen, kulturelle Kompetenzen und Erfahrungen sowie deren potentielle Zweisprachigkeit und Kulturoffenheit als eine Chance dargestellt und begriffen werden.

Hinsichtlich der Zusammensetzung der nichtdeutschen Wohnbevölkerung und hier insbesondere der jugendlichen Ausländer sei eine außerordentlich differenzierte Betrachtungsweise erforderlich. Während der Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung in Schleswig-Holstein bei durchschnittlich 4 %, in den kreisfreien Städten bei ungefähr 8 % liege, sei der Anteil von Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft fast doppelt so hoch und betrage in Kiel zwischen 11 und 15 %.

Um so wichtiger sei es, auch die ausländische Bevölkerung und hier insbesondere die ausländischen Jugendlichen in (kommunale) Arbeit und Planung einzubeziehen, was jedoch im politischen Bereich und - vielleicht unbewußt - auch im kulturellen Bereich bedauerlicherweise nicht geschehe. Das Demokratiekonzept für die Jugend, die Partizipation ausländischer Jugendlicher - der Kieler Ausländeranteil betrage in Schulklassen immerhin bis zu 20 %, in manchen Jugendzentren sogar bis zu 50 % - würden aber durch eine Ausgrenzung im politischen Bereich konterkariert.

Folge des Versagens von politischen Rechten für Ausländer seien Frustration, Resignation und Abwehr.

Im Kern gehe es um die grundsätzliche Frage: Integration oder Assimilation von Ausländern?
Wenn man sich im Sinne einer pluralistischen Gesellschaftsauffassung für den Weg der Integration entscheide, müsse an folgenden Punkten angesetzt werden: Integration von Ausländern in den Arbeitsmarkt und insbesondere Integration ausländischer Jugendlicher in den Ausbildungsplatzmarkt - in Kiel seien nur 5 % der öffentlich Bediensteten, gar nur 4 % der Auszubildenden nichtdeutscher Herkunft, während 20 % der Ausländer arbeitslos seien -, Förderung von muttersprachlicher Erziehung in Schule und Kindergarten und Unterstützung von nichtchristlichen Religionen beziehungsweise nicht Mehrheitsreligionen, Angebote für ausländische Familien, Einbeziehung der nichtdeutschen Bevölkerungsgruppe in Kulturaustauschprogramme mit den Ostseeanrainerstaaten.

Auf Fragen von Abg. Aschmoneit-Lücke teilt Frau Rothenburg-Unz mit im Kindertagesstättenbereich werde das Konzept der interkulturellen Erziehung praktiziert und in einer Kindertagesstätte Doppelsprachigkeit angeboten.
Im Bereich der Jugendarbeit - wiederum stadtteilabhängig - sei die Präsenz von ausländischen Jugendlichen stark. Auch in anderen Bereichen der Sozialplanung bemühe man sich um eine bessere Integration von Ausländern.

Abg. Baasch hält die Forderung von Frau Rothenburg-Unz für wichtig, als Grundlage zur Verbesserung der Lebenssituation der ausländischen Bevölkerungsgruppe deren politische Rechte zu stärken, und wirft die Frage notwendiger Gesetzesänderungen auf.

Frau Rothenburg-Unz hält es für vordringlich, die bestehende rechtliche und politische Diskriminierung der in Deutschland lebenden ausländischen Bevölkerungsgruppe auch und gerade in der politischen Jugendarbeit und in den Schulen zu problematisieren.

Es gelte, den zu beobachtenden gesellschaftspolitischen Trend in der Haltung gegenüber Ausländern umzukehren und statt auf Assimilation auf Integration und Pluralismus zu setzen, sprich - wie gesagt - die unterschiedlichen Muttersprachen und Traditionen zu fördern, auch die Arbeit der ausländischen Vereine zu würdigen und sie in die Jugendarbeit und kulturelle Arbeit einzubeziehen.

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